"Familienaufstellung"
Zur Semiotik unternehmensspezifischer Narrative in Krisen
DOI:
https://doi.org/10.15475/skms.2017.1.4Abstract
Unternehmenskulturen sind Kulturen, in denen sich über eine Zeit gemeinsamen Arbeitens Kommunikationsstrukturen ausbilden, die den Einzelnen mit den anderen verbinden. Es entsteht so in der Regel ein kohärentes Gewebe, das Mitarbeitern Orientierung gibt. Dies wird dann besonders bedeutend, wenn vor dem Hintergrund der zunehmenden "Stückhaftigkeit unserer Welt" (Clifford Geertz) Diskussionen über grundlegende gemeinsame Vorstellungen, gemeinsame Gefühle und gemeinsame Werte auch in der Arbeitswelt nicht immer einfach zu lösen sind. Innerhalb von Unternehmenskulturen bilden in der Regel narratologisch aufgebaute Firmengeschichten einen wichtigen Faktor, wenn es um die Herstellung von Identität im Unternehmen geht. Schlagwortartig werden solche Konzepte auf Internetseiten präsentiert und als Leitbegriffe verwendet, um das firmeneigene Narrativ plakativ nach außen zu kommunizieren. Begriffe wie Innovation, Tradition und Zukunftsorientiertheit sind dabei häufig verwendete Vokabeln. Sie sind abstrakte und positiv besetzte Bezugsgrößen eines ökonomischen Diskurses, der gerade von KMUs erwartet, den Betrieb so aufzustellen, dass er zeitgemäß und im Bewusstsein seiner eigenen Geschichte solide auch Kommendes überstehen mag.
Von diesem Geflecht ökonomischer Anforderungen sind auch die Erzählungen über ein Unternehmen geprägt. Davon kann die Verwendung derartiger Vokabeln innerhalb von Unternehmen unterschieden werden. Somit wird angenommen, dass es eine Differenz zwischen Signifikaten werbender Internetdarstellungen und der Signifikantenlogik wirtschaftlicher Rationalitätsparadigmen gibt und die Frage nach der Unternehmenskultur in Unternehmen nicht auch die Fragen nach den eigenen Narrativen in Unternehmen offenlegt. Welche Rolle die Kommunikation in der Struktur der Organisation kleinerer und mittlerer Unternehmen spielt, die bestrebt sind, sich zwischen Traditionalität, Zukunftsorientiertheit und Marktzwängen zu positionieren, soll im Folgenden näher erörtert werden. Dabei sollen besonders Unternehmen in den Blick genommen werden, deren Organisationsstruktur sich - vor allem innerhalb ökonomischer Handlungskontexte - verändert hat. Wenn nämlich beispielsweise Unternehmensstrukturen (z.B. durch Fusion und Umstrukturierungen) dynamisiert und rationalisiert wurden, wird unter Umständen die Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart beleuchtet und das Narrativ überdacht, weil solche Umstrukturierungen von den Mitarbeitern als Traditions- und Vertrauensbruch erlebt werden könnten. Genau an diesen Bruchstellen bekommen tradierte und neu formulierte Unternehmensnarrative eine erhebliche Bedeutung.
Aus kultur- und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive soll in diesem Beitrag das Wechselverhältnis zwischen organisatorischen, ökonomischen und kommunikativen Prozessen in Unternehmen behandelt werden, die ihre Betriebsstruktur und Leitkultur verändert haben.